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Forst auf dem Holzweg -

Harvester zerstören Waldboden und Quellbiotope

 

Der flächendeckende Einsatz von großen und schweren Forstmaschinen führt zunehmend zu Umweltschäden, die nicht nur für den Lebensraum Wald, sondern auch für die außerhalb liegenden Gebiete Folgen haben. Neben der unmittelbaren Zerstörung schützenswerter Feuchtbiotope steht die starke Bodenverdichtung, die vor allem anhand bleibender tiefer Fahrrinnen sichtbar wird. Letzteres führt nachweislich zu einem beschleunigten oberflächlichen Wasserabfluss und damit einhergehend zu einem schnelleren und längerfristigen Austrocknen der Waldböden sowie einer Minderung der Grundwasserneubildungsraten. Der zunehmende Verlust an Wasserrückhaltevermögen im Wald (Pufferkapazität) muss deshalb auch als eine der Ursachen für die Zuspitzung von Hochwasserereignissen im Umland bei Starkregen und / oder Schneeschmelze begriffen werden.

 

Blick auf die durch Harvester vollkommen zerfahrene ‚Steinbach‘-Helokrene im Hauser Wald; die tiefen Fahrspuren leiten das Quellgerinne nach NO um (Koordinate: 50.533485, 8.083538; Foto: H. Rittweger 30.01.2021)
 

Quellen und Quellgerinne nebst begleitenden Einzugsbereichen sind als besonders sensible Lebensräume zu betrachten. Sie sind durch eine speziell angepasste und nur in diesen Biotopen vorkommende Fauna gekennzeichnet, die auf reinstes Wasser angewiesen ist: z. B. Höhlenflohkrebse, Alpenstrudelwurm oder Quellschnecken. Da unzählige Quellen bereits aus unserer Landschaft verbannt bzw. durch anthropogene Eingriffe wie Drainage oder Überbauung zerstört wurden, gehören die verbliebenen zurecht zu den nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) geschützten Biotopen. Ihr Schutz ist eine Sache, Ihr sicheres Erkennen im Gelände jedoch eine ganz andere – erst recht aus dem Führerhaus einer großen Forstmaschine.

Quellen sind durch ein vielfältiges Erscheinungsbild gekennzeichnet und in manchen Waldgebieten weitaus häufiger als die meisten Menschen annehmen - insbesondere im Bereich von Wasserscheiden. Nicht selten sind hier viele kleine Quellaustritte auch unter der Oberfläche miteinander verbunden, sodass der Lebensraum der Quellfauna (vom sog. oberflächennahen „Interflow“ bis ins Grundwasser) sehr viel größer ist, als oberirdisch zu erahnen. Nicht alle Quellen schütten ganzjährig; ihr sicheres Erkennen, vor allem der unterirdischen Zusammenhänge, erfordert viel Zeit und Erfahrung. Gerade der häufigste Quellentyp, die sog. Versumpfungsquelle (Helokrene) wird oftmals nicht als solche erkannt. Aufgrund des meist fehlenden eindeutig zu lokalisierenden Grundwasseraustritts werden Helokrenen nicht selten mit Staunässezonen verwechselt.

Wälder, in denen Quellen in besonderer Häufung auftreten, verdienen in jedem Fall besondere Aufmerksamkeit und erfordern eine äußerst behutsame Bewirtschaftung. Sie sollten unter Naturschutz gestellt werden. Ein Beispiel ist der Hauser Wald bei Waldbrunn-Hausen im Westerwald, für den seitens der Naturschutzinitiative e.V. (NI) und der HGON bereits im März 2019 ein Antrag auf Ausweisung als Naturschutzgebiet (NSG) gestellt wurde. Ein entsprechendes Verfahren wurde bislang jedoch noch nicht eröffnet.

 

Forst auf dem Holzweg - Harvester zerstören Waldboden und Quellbiotope im Hauser Wald und bei Westernohe im  Westerwald

 

Ein weiteres Beispiel aus dem Westerwald sind die bewaldeten Höhenzüge östlich Rennerod inkl. des südöstlich anschließenden Knoten (605 m NN), wo u.a. im Bereich der Wasserscheide zwischen Lahn und Dill zahlreiche kleine Bäche entspringen – z.B. der Lasterbach und der Holzbach. In beiden Waldgebieten nehmen quellige Vernässungszonen große Flächen ein. Diese sind meist auch in trockenen Sommern zuverlässig anhand einer Vielzahl von Entwässerungsgräben zu erkennen – Relikte aus Zeiten, in denen die Bedeutung des Wassers im Wald nur von wenigen Fachleuten erkannt wurde.

 

Tiefe Fahrrinnen im feuchten Waldboden zwischen der Wacholderheide und dem Oberlauf des Lasterbachs bei Westernohe (VG Rennerod; 50.607861, 8.115417; Foto: H. Rittweger 09.01.2021)
 

Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt jedoch überdeutlich, dass hier dringend ein Umdenken einsetzen muss, sowohl was das möglichst naturnahe Bewirtschaften als auch das Zulassen und Wiederherstellen (!) von Vernässung anbelangt. Das großflächige Fichtensterben infolge zu trockener Sommer und Borkenkäferbefall ist auch in den beiden hier genannten Wäldern geradezu als Fanal für eine falsche, kurzsichtige und zu sehr profitorientierte Waldbewirtschaftung zu werten. Gleiches gilt für das aktuell auf dem Fuße folgende, geradezu industrieartig organisierte und komplett naturferne „Aufräumen im großen Stil“. Mit schwerstem Gerät und ohne jedes Bewusstsein für Jahrtausende alte Zusammenhänge und Strukturen wird „geerntet“ was abgestorben bzw. kurz davor ist. Die Frage, ob der zerfahrene und verdichtete Untergrund womöglich um ein Vielfaches wertvoller als die darauf stockenden traurigen Fichtenmasten ist, stellt sich erst gar nicht.

 

Die engmaschigen Fahrspuren von Harvestern wirken im Satellitenbild wie eine Schraffur (Ausschnitt aus dem Hauser Wald; Quelle: Google maps; Januar 2021; bearb. H. Rittweger 15.01.2021)
 

Dabei sollte doch völlig klar sein, dass sich der Einsatz von kraftstoffbetriebenen Maschinen und Fahrzeugen im Einzugsbereich von Quellen eigentlich von selbst verbietet. Neben der Kontaminationsgefahr durch Kraft- und Schmierstoffe (auch des so gern ins Feld geführten sog. „Bio-Öls“), die hier nicht nur die Biotope, sondern immer auch die Grundwasserqualität beeinträchtigen können, steht die enorme Bodenverdichtung durch tonnenschwere Fahrzeuge wie Harvester. Im Bereich von Quellen und feuchten Böden richten sie geradezu verheerende Schäden an (s. Abb.). Sie schaffen künstliche Entwässerungsgräben, die die Quellgerinne umleiten - nicht selten direkt auf die Waldwege. Diese müssen, um für schwere Fahrzeuge befahrbar zu bleiben, dann nachfolgend durch noch tiefere Seitengräben „vor Durchweichung geschützt“ werden. Im Verein mit der Bodenverdichtung führen die genannten Eingriffe somit zu einer deutlichen Erhöhung der Abflussraten und damit zu einer Verschärfung von Hochwasserereignissen außerhalb der Wälder. Gleichzeitig kommt es zu einer rascheren Austrocknung der Waldböden und einer Minderung der Grundwasserneubildungsraten. Dass dies ein ernst zu nehmendes und sich weiter potenzierendes Problem darstellt, zeigt allein ein Blick in großmaßstäbige Schummerungskarten (Digitales Geländemodell / LiDAR-Scans), in denen die eingetieften Fahrrinnen streckenweise schon zahlreicher und deutlicher hervortreten als natürliche Oberflächenformen. Aus Sicht des Natur- wie auch des Grundwasserschutzes ist für naturnahe Wälder deshalb alternativ und grundsätzlich der Einsatz von Rückepferden zu fordern.
 

 

Forst auf dem Holzweg - Harvester zerstören Waldboden und Quellbiotope im Hauser Wald und bei Westernohe im  Westerwald

Hinzu kommt schließlich noch ein weiteres Problem, dem bislang viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird: Mit jeder Fahrt in einen Wald werden naturunverträgliche Fremdpartikel und schwer abbaubare Substanzen (Reifenabrieb etc.) eingetragen - im Winter sogar Streusalz (!). Mag das im Einzelfall auch eine zu vernachlässigende Größe sein, in der Addition über Jahrzehnte ergibt sich ein durchaus messbares und gewichtiges Problem – z.B. für die eingangs erwähnten höchst empfindlichen Quellorganismen. Hier sind insbesondere Forst und Jägerschaft gefordert, gleichsam umzudenken, heißt: wo immer machbar, auf das Fahren zu verzichten, um einer möglichst unberührten Natur wieder den so dringend benötigten Raum zu überlassen.

 

Im frischen Schnee sind die Spuren von schmutzigem Salz-Schneematsch-Gemisch, das von Kfz in den Wald getragen wird, deutlich zu erkennen. Die nächst gelegene Straße zwischen Hausen und Langendernbach ist vom Aufnahmeort fast 500 m entfernt (Koordinate: 50.528366, 8.084086; Foto: H. Rittweger 16.01.2021)

 

Vor diesem Hintergrund wird nicht zuletzt auch die Frage nach Errichtung von Windindustrieanlagen in naturnahen Wäldern in ein deutliches Licht gerückt: es steht wohl außer Zweifel, dass sich damit das Verkehrsaufkommen im Wald sowohl kurz- als auch langfristig ins Extreme steigert.

Dr. Holger Rittweger, Januar 2021


Die vorliegenden Ausführungen waren im März 2021 auch Grundlage einer Pressemeldung der Naturschutzinitiative e.V. (NI)

>>> https://www.naturschutz-initiative.de/pressemitteilungen/926-19-03-2021-pm-zerstoerte-quellbiotope-im-hauser-wald-und-bei-westernohe


s. auch: https://naturschutz-initiative.de/pressemitteilungen/431-05-04-2019-ni-und-hgon-beantragen-die-ausweisung-des-hauser-waldes-als-naturschutzgebiet
 

http://www.mobileslandschaftsmuseum.de/archiv/hauwald.htm

 

"Verdichteter Boden, bedrohtes Quellbiotop" - Nassauische Neue Presse 08.05.2021 

 >>> Download Presseartikel zum Hauser Wald

 


 

Forst auf dem Holzweg - Harvester zerstören Waldboden und Quellbiotope im Hauser Wald und bei Westernohe im  Westerwald

 

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06.09.2024